Interview mit Christine Falk-Frühbrodt, M.A.
erschienen in „Baby und Familie“, Ausgabe März 2006
Was bedeutet Konsequenz?
Wer ordentlich schimpft und straft, so ein verbreiteter Irrglaube, ist besonders konsequent. In Wahrheit gehört zur Erziehung immer eine große Portion Liebe. Dann können Kinder die Entscheidungen ihrer Eltern besser annehmen. Mit Konsequenz ist ein nachvollziehbares und einschätzbares Verhalten gemeint. Wer inkonsequent erzieht, ändert Regeln von einer Situation zur nächsten. Das Kind weiß dann nicht, was von ihm erwartet wird. Konsequente Eltern haben sich gut überlegt, was erlaubt ist und was nicht. Sie formulieren ihre Erwartungen in kindgerechter Form und leben vor, was sie sich wünschen. Sollte sich eine Regel als unsinnig herausstellen, wird sie in Absprache mit dem Kind geändert.
Ab wann sollten sich Eltern durchsetzen?
In jedem Lebensalter sollte ein Kind mehr Lob erfahren als Kritik. Strafen stoppen unerwünschtes Verhalten, sagen dem Kleinen aber nicht, was es tun soll. Besser ist, das Kleine für erwünschtes Verhalten zu loben. Wenn Eltern Willensäußerungen des Nachwuchses unterbinden, kann er mit Aggressivität, Rückzug oder Unterwerfung reagieren. Das ist der falsche Weg. Kinder sind mit einer Persönlichkeit und einem eigenen Willen ausgestattet. Das ist gut so. Die Kleinen müssen nun noch lernen, ihre Bedürfnisse mit den Erwartungen anderer in Einklang zu bringen.
Wie schafft man es, konsequent zu sein?
Konsequent kann nur sein, wer klare Vorstellungen davon hat, wohin die Reise gehen soll: Was möchte ich mit meiner Erziehung erreichen? Welche Mittel halte ich für zulässig? Was darf mein Kind, was darf es nicht? Sind diese grundlegenden Fragen geklärt, können Eltern auch in Ausnahmesituationen einen klaren Kopf behalten. Konsequenz sollte nicht als Selbstzweck verstanden werden, sondern als kindliches Grundbedürfnis. Der Nachwuchs braucht gleich bleibende Strukturen, zum Beispiel einen geregelten Tagesablauf. Wer das weiß, wird die Zubettgehzeit liebevoll-konsequent und notfalls auch gegen den Willen des Kindes durchsetzen. Dabei sind Kompromisse, etwa Einschlafen mit Hörspiel, okay. Wenn Aktivitäten immer zur selben Zeit und auf ähnliche Weise stattfinden, werden sie zu Ritualen, die Ruhe und Sicherheit vermitteln, weil man sie nicht immer neu hinterfragt.
Ist bei Trotzanfällen Konsequenz besonders wichtig?
Eltern müssen abwägen, was in der aktuellen Situation erforderlich ist und was gegen ihre Prinzipien spricht. Will das Kind abends nach dem Zähneputzen Süßes essen, muss ein standhaftes Nein mit kurzer Begründung folgen. Man kann ihm als Kompromiss eine Leckerei für den nächsten Morgen versprechen. Bekommt der Nachwuchs beim Anziehen einen Wutanfall, kann dies mehrere Gründe haben. Manche Kinder kämpfen noch mit sechs Jahren mit der Strumpfhose. -Ermutigende Worte, ein bisschen Hilfe und etwas Übung ohne Zeitdruck helfen da. Ein anderes Kind trödelt beim Anziehen, weil es nicht in den Kindergarten will. Auch in diesem Fall verschärfen Schimpfen und Strafen die Situation. Kein Kind bekommt grundlos Wutanfälle. Stets will es den Eltern etwas damit sagen. Es gehört zu unseren Aufgaben, diese Signale zu entschlüsseln.
Wie reagiert man auf Trotzanfälle, die eindeutig Erpressungsversuche sind?
Wenn Kinder die Erfahrung gemacht haben, dass sie ihren Wünschen mit Lautstärke Nachdruck verleihen können, trotzen sie häufiger. Sind sich Eltern sicher, dass sie erpresst werden, sollten sie ihre Haltung klar äußern und den Wutanfall des Kindes ignorieren. Beispiel: Das Kleine wirft sich an der Supermarktkasse unter lautem Geschrei auf den Boden, weil Mama nichts Süßes kauft. Da ist es das Beste, einmal fest und freundlich Nein zu sagen, den Bezahlvorgang abzuschließen und den Laden im gewohnten Tempo zu verlassen. Das Kind wird garantiert folgen und seine Strategie früher oder später ändern. Niemand nimmt Anstrengungen auf sich, wenn keine Aussicht auf Erfolg besteht.
In welchen Bereichen des Lebens ist Konsequenz entscheidend?
Absolute Konsequenz ist in Situationen unabdingbar, die mit Gefahren oder nicht hinnehmbaren Nachteilen für das Kind oder andere verbunden sind. Ein Kleinkind muss nahe der Straße in jedem Fall an der Hand seiner Eltern laufen. Die Zähne müssen geputzt werden. Streit wird mit Worten gelöst, niemals mit Fäusten. Wichtig ist die Vorbildfunktion der Eltern: Der russische Schriftsteller Fjodor Dostojewskij sagte: „Bevor ihr den Menschen predigt, wie sie sein sollen, zeigt es ihnen an euch selbst.“
Der Nachwuchs geht über Tisch und Bänke. Wie können Eltern das ändern?
Im ersten Schritt müssen sie entscheiden, was dem Kind zukünftig erlaubt sein soll und was nicht. Man kann unerwünschte Verhaltensweisen aufschreiben und sich jeweils geeignete Konsequenzen dazu überlegen. Diese sollten logisch sein, das heißt in einem zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang zum Fehlverhalten stehen. Beispiel: Peter tritt am Frühstückstisch absichtlich gegen den Stuhl seines Bruders, so dass dieser fast das Gleichgewicht verliert. Die Eltern sagen: „Wenn du deine Füße bei dir behältst, darfst du weiter hier bei uns essen. Ansonsten musst du in der Küche Platz nehmen.“ Setzt Peter sein Verhalten fort, lassen die Eltern die angekündigte Konsequenz möglichst gelassen und ohne viele Worte folgen. Logische Konsequenzen fördern das Verantwortungsgefühl und die Entscheidungskraft des Kindes. Strafen hingegen haben so gut wie keine positiven Wirkungen.
Was, wenn Eltern verschiedene Meinungen bei der Kindererziehung haben?
Wir alle haben unterschiedliche Lebensgeschichten und eigene Vorstellungen von einer guten Erziehung. Daher wird es absolute Einigkeit in allen Aspekten des Umgangs mit dem Kind zwischen den Eltern niemals geben können. Wichtig ist, dass man sich auf die wesentlichen Punkte einigt und respektiert, dass der Partner manche Dinge etwas anders sieht. Seine Entscheidungen sollten nicht vor dem Nachwuchs umgestoßen werden. Offensichtliche Uneinigkeiten könnten dazu führen, dass das Kind die Eltern gegeneinander ausspielt. Mutter und Vater sollten sich regelmäßig zur Lagebesprechung zurückziehen, Meinungen austauschen und den Kurs, wenn nötig, neu festlegen.